Mein Auslandspraktikum in Nepal

Erfahrungsbericht von Helen Tran

Wenn mich jemand fragt: „Warum bist du nach Nepal gegangen?“, kann ich viele Gründe nennen, die dafür sprechen. Aber als ich mich dann tatsächlich vor einiger Zeit für Nepal entschied, waren es vor allem die schweren Erdbeben 2015, die mich inspiriert haben, dieses Land zu besuchen. „Ich möchte den Menschen dort helfen, denen die Existenzgrundlage genommen wurde, wenigstens ihre Zähne zu erhalten.“, so Helen Tran in unserem Interview am 08. Oktober 2019 kurz nach ihrer Rückkehr aus Nepal.

Nach dem Abitur steht für viele ehemaligen Abiturienten der nächste große Schritt an: das Studium. So auch damals für Helen Tran. Die gebürtige Tschechin mit Wurzeln aus Vietnam absolvierte ihre Schulzeit in London, Prag und den USA.

Das inspirierte Frau Tran dazu, ihr Studiums ebenfalls im Ausland zu absolvieren. Nach ihren vielen Auslandserfahrungen zog es die Zahnmedizinstudentin aus Tschechien letztendlich nach Bayern, in das schöne München an die LMU. „Ich möchte ganz nah an den Bergen wohnen, dort fühle ich mich einfach wohl“, erzählte Frau Tran sehr begeistert.

Auf unsere Frage, warum Sie denn Zahnmedizin studiere, berichtet Frau Tran von den negativen Erfahrungen mit Zahnärzten in ihrer Kindheit und, dass sie in Zukunft einfach eine viel bessere Zahnärztin werden wolle. Vor ihrem 10. Semester der Zahnmedizin absolvierte Helen Tran ihr  sechswöchiges Auslandspraktikum (Famulatur) in Nepal.

Während dieser Zeit erlebte sie viele neue Eindrücke und unbekannte Situationen. Sie berichtete fasziniert von den dortigen Gegebenheiten, der Armut und der Lebensweise in Nepal.

ABZ:
Frau Tran, was hat Sie dazu bewegt, nach Nepal zu reisen und dort Ihr Auslandssemester zu verbringen?

Frau Tran:
Bei unserem Studium finde ich es sehr wichtig, nicht nur die Theorie zu wissen und möchte als angehende Zahnärztin gerne am Menschen arbeiten. Das heißt, ich möchte keine Assistenz bleiben, sondern mit meiner Arbeit etwas bewegen. In Nepal beispielsweise haben die dortigen Zahnmediziner keine Assistenz, die ihnen bei der Behandlung zur Seite steht. Dort muss ein Zahnmediziner alles alleine machen. Und das fasziniert mich. Diese Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. Zudem zählt Nepal zu den ärmsten Ländern der Welt, weshalb ein Zahnmediziner meist gar nicht das Geld hat, um eine Assistenz anzustellen. Diese Arbeitsweise hat mich motiviert.

ABZ:
Um auf diese Selbstständigkeit zurück zu kommen, wie kann man sich Ihre Tätigkeit als Zahnärztin in Nepal vorstellen? Und hatten Sie auf Ihrer Reise, die Sie ja alleine verbracht haben, auch kurze Momente der Unsicherheit?

Frau Tran:
Während meines kompletten Aufenthalts habe ich mich nicht unwohl gefühlt oder gefürchtet. Die Nepalesen sind ein sehr friedliches und freundliches Volk – und vor allem besonders hilfsbereit. Ich habe zu Anfang auch in einer Gastfamilie leben dürfen. Diese Eindrücke werde ich nie vergessen. Später zog ich in das nahegelegene Studentenwohnheim. Dort waren zahnmedizinische Studenten und Medizinstudenten untergebracht. Die Zeit im Wohnheim war sehr interessant und ich habe viele norwegische, österreichische und deutsche Studenten kennengelernt. Denn Norwegen, Deutschland und Österreich unterstützen Nepal in der medizinischen Versorgung, insbesondere die Krankenhäuser.

Mein Tagesablauf kann man sich so vorstellen: Circa gegen 07:00 Uhr morgens versammelten sich alle Ärzte, Oberärzte und Studenten und besprachen wichtige und besondere Fälle, die in der jeweils kommenden Woche anfallen bzw. zu behandeln sind. Diesen Austausch fand ich super, denn so haben sich auch andere Mediziner mit den Thematiken beschäftigt und konnten Tipps oder auch Rückmeldung zur Behandlungsart geben. Die ganze Arbeit am Patienten war sehr transparent. Nach den Montagsbesprechungen ging es dann in die Woche.

Besonders ist mir aufgefallen, dass die Auffassung von Hygiene in Nepal anders ist als beispielsweise in Deutschland. Sterile Instrumente, so wie wir es hier kennen, gibt es in den Krankenhäusern dort kaum. Allerdings behandeln die nepalesischen Zahnmediziner mit denselben Geräten wie in Europa, daher ist die zahnmedizinische Versorgung (Qualität der Versorgung und die Arbeit am Menschen) mit der europäischen vergleichbar. Es scheitert allerdings, wie schon gesagt, an der Hygiene. Im Vergleich zu Deutschland kostet eine Zahnextraktion in Nepal 200  nepalesische Rupien (1,60 €), eine Mango hingegen 100 nepalesische Rupien (0,80 €). Das heißt im Grunde ist die zahnmedizinische Versorgung in Nepal preiswert. Die Armut lässt den Nepalesen allerdings keine große Wahl und so entscheiden sich viele Bürger dazu, von ihrem eingenommenen Geld lieber Nahrung zu kaufen, als bei Zahnbeschwerden den Zahnmediziner aufzusuchen. Die Grenze zwischen Arm und Reich ist im Land deutlich zu spüren. So suchen gut betuchte Patienten öfter den Zahnarzt auf, als die ärmere Bevölkerung. Für mich ist es wichtig, allen Menschen zu helfen.

Zahnmedizinerin zu werden ist mein Traum. Daher war es mir auch wichtig, an der Aufklärung in der Schule und im Kindergarten zu arbeiten. Viele Kinder kennen eine Zahnbürste, haben allerdings noch nie bis selten eine genutzt. Da kommen wir auch gleich zu meinen bewegten und eher traurigen Eindrücken des Landes. Viele Kinder im Alter von 10 Jahren und älter müssen arbeiten gehen. Kleinere Kinder begleiten ihre Eltern zur Arbeit, da die Betreuung zu teuer ist. Aus diesem Grund, und das war unter anderem einer der schönsten Momente, die ich erlebt habe, möchte ich den Menschen helfen können. Vor allem in Nepal haben die Menschen ihre Dankbarkeit besonders zum Ausdruck gebracht. Auch wenn die Behandlung ab und an nicht sehr angenehm war, haben die Menschen dort ein anderes Schmerzempfinden.

Trotzdem habe ich gelernt, dass die erste Frage, die man dem Patienten stellt, ob in Deutschland oder in Nepal: „Tut´s weh?“ ist (lacht). Oder „Mund öffnen“ und „Mund schließen“.  Das ist überall gleich (lacht).

ABZ:
Ihre erzählten Eindrücke und Erfahrungen sind sehr bewegend. Und sowohl Ihr Enthusiasmus als auch die Leidenschaft den Menschen zu helfen, sehr bewundernswert! Konnten Sie andere Studenten motivieren, ebenfalls ein solches Auslandssemester zu absolvieren? Denn ein Auslandssemester kann schon ziemlich teuer werden/sein. Wie haben Sie das gemeistert und inwiefern hat die ABZ eG Sie dabei unterstützen können?

Frau Tran:
Ich liebe die Zahnmedizin. Andere Studenten zu inspirieren, ihnen von meinen bisherigen Erfahrungen zu erzählen, bereitet mir Freude. So habe ich auch einige meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen überzeugen können, ein bisschen Zeit in Peru zu verbringen. Nächstes Jahr fahren wir gemeinsam dorthin und leben das Motto „Ärzte ohne Grenzen“. Die Kosten für meine Nepalreise waren ziemlich hoch. Ich konnte Nepal durch ein Stipendium bereisen, doch trotzdem sind dadurch die Kosten lange nicht gedeckt. Deswegen kam ich auf die Idee, Unternehmen aus dem zahnmedizinischen Bereich anzufragen, ob sie mich in meinem Auslandssemester unterstützen wollen. Natürlich für den guten Zweck. Bei einer KZVB Veranstaltung Anfang des Jahres hielt Herr Dr. Hartmut Ohm (Vorstandsvorsitzender ABZ eG) einen Vortag. Während des Workshops entschied ich mich, Herrn Dr. Ohm von meinem bevorstehenden Besuch in Nepal zu berichten. Herr Dr. Ohm kontaktierte mich wenige Wochen nach der Veranstaltung und willigte ein, mich bei meiner Reise zu unterstützen.

Mit Hilfe der ABZ eG konnte ich viele wichtige und auch benötigte medizinische Verbrauchsgüter wie Handschuhe, Mundschutz und Tupfer nach Nepal transportieren. Der Transport über das Flugzeug ist sehr teuer und auch das Transportieren innerhalb des Landes kostet vergleichsweise viel Geld. Ich habe mich sehr darüber gefreut, Unterstützung von der ABZ eG zu erhalten. Ich hatte die Gelegenheit kleinere Regionen (in den Bergen) wie beispielsweise einen Tempel, zu besuchen, um dort Hilfe anzubieten. Viele Mönche, Frauen und Kinder waren durch den Monsunregen an ihre Häuser gebunden und konnten das Tal nicht aufsuchen. Durch die Unterstützung der ABZ eG war es mir möglich, diese Bergregionen samt Material aufzusuchen und Hilfe zu leisten. Später suchten uns immer wieder Mönche, Frauen und Kinder im Krankenhaus auf, um sich beraten oder behandeln zu lassen.

ABZ:
Nachdem Sie so viel erlebt haben, sind Sie nun wieder „zu Hause“ angekommen. Wie geht es nun weiter für Sie?

Frau Tran:
Zurzeit bin ich im zehnten Semester und schreibe nebenbei meine Doktorarbeit im Bereich Zahnmedizin. Voraussichtlich bin ich im August 2020 fertig. Mein Plan ist es, einen guten Platz für meine Assistenzzeit zu finden. Außerdem überlege ich eventuell im Anschluss ins Ausland zu ziehen. Auf jeden Fall in Richtung Berge (lacht) z.B. Südtirol, Schweden oder nach Norwegen. Mein größter Traum: „Zahnärztin auf dem Land zu sein, inmitten der Berge“. Denn nach meinem Aufenthalt in Nepal, kann ich mir ein Leben abseits der Berge gar nicht mehr vorstellen, obwohl mir die Berge hier nun sehr, sehr klein vorkommen (lacht).

ABZ:
Wir bedanken uns herzlich für Ihre Zeit und für Ihre Eindrücke, an denen wir teilhaben konnten. Wir wünschen Ihnen für Ihre Zukunft nur das Beste und alles Gute. Viel Glück bei Ihrem Staatsexamen und eine erfolgreiche Assistenzzeit!

Frau Tran:
Vielen Dank für die tolle Unterstützung und die Möglichkeit, die sich mir dadurch geboten hat. Herzlichen Dank!